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Corona-Trend Haustieradoption: Auch im Tierheim Beckstetten häufen sich Anfragen

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Von: Jessica Socher

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Hund Tierheim
Wer einen Hund aus dem Tierheim adoptieren will, sollte sich zuvor einige Fragen stellen und das Tier erst kennenlernen. Dazu raten Experten aus dem Unterallgäu. © usersam2007

Beckstetten/Unterallgäu – Immer mehr Tiere werden während der Corona-Pandemie deutschlandweit in Tierheimen nachgefragt. Das bestätigt auch das Tierheim Beckstetten, wo vor allem Katzen (oft Katzenbabys) und Kleintiere in den Anfragen begehrt sind. Es gibt aber auch Vermittlungsstellen im Unterallgäu, die diesen Trend nicht bestätigen können: Monika Widitz vom Katzenschutzverein Mindelheim etwa sagt: „Bei uns im Verein ist die Nachfrage nach Katzen derzeit leider sehr gering.“ Und auch Thomas Märte von „katzevermisst.de“ merkt im Vergleich zur Zeit vor Corona kaum einen Unterschied: Obwohl er und seine 41 Mitstreiter mittlerweile nicht mehr nur Katzen vermitteln sondern auch alle anderen Tierarten, fällt es ihnen während der Corona-Pandemie „genauso leicht“. Dabei finden allerdings viele Tiere ihr neues Zuhause bei ehrenamtlichen Mitarbeitern oder deren Freunden.

Wer im Tierheim arbeitet, hat oftmals keinen leichten Job: Wie der Deutsche Tierschutzbund mitteilt, sei das Personal in Tierheimen immer wieder Anfeindungen, Bedrohungen und auch Bestechungsversuchen ausgesetzt, da viele Menschen die Erwartung hätten, das Tier ihrer Wahl sofort mit nach Hause nehmen zu können. Im Mindelheimer Katzenschutzverein, wo sich die gut 200 Mitarbeiter nicht nur um die Vermittlung von Katzen, sondern auch um die Kastration kümmern, blieben solch gravierende Vorfälle bislang aus: ­Monika Widitz erzählt: „Es gibt immer Menschen, die meinen, unsere ehrenamtliche Arbeit sei sinnlos. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden.“ Auch das Tierheim Beckstetten und „katzevermisst.de“ melden keine Anfeindungen, Bedrohungen oder Bestechungsversuche. Thomas Märte hat bislang generell „so gut wie keine negativen Erfahrungen“ gemacht. Neben der Vermittlung von zugelaufenen und vermissten Tieren kümmern sich er und sein Team von „katzevermisst.de“ auch um verletzte Tiere und Totfunde. Dabei sei es zwar schon vorgekommen, dass er belächelt und gefilmt wurde, während ein totes Tier von der Straße geborgen wurde, doch überwiegend seien die Erfahrungen bei der Arbeit positive, erklärt Märte. Mit vielen Personen, deren Tiere über den Wochen ­KURIER und „katzevermisst.de“ wieder gefunden oder vermittelt wurden, bleibe sogar ein Kontakt bestehen.

Tieranschaffung darf keine Frage der Laune sein

Wer sich momentan dazu entscheidet, ein Haustier zu adoptieren, sollte sich vorerst fragen, ob er auch nach der Pandemie noch genügend Zeit hat, um sich um das Tier zu kümmern. Axel Nees vom Tierheim Beckstetten appelliert deshalb: „Grundsätzlich gilt, dass das Tier nicht aus einer Laune heraus angeschafft werden darf.“ Denn ein Tier im Haushalt bedeute nicht nur Freude und Spaß, sondern mit ihm gehe auch Arbeit und Schutz einher und damit möglicherweise auch weniger schöne Erlebnisse. „Wem dies bewusst ist, gewinnt durch einen neuen Mitbewohner aber auch eine Bereicherung für sein Leben und den Alltag“, sagt Nees. Um klarzustellen, dass es den Tieren auch noch nach der Eingewöhnung im neuen Zuhause gut geht, finden Nachkontrollen statt. Bei „katzevermisst.de“ sind diese sogar unangekündigt, damit tatsächlich sichergestellt werden kann, dass sich gut um die Tiere gekümmert wird.

Doch das ist nicht die einzige Frage, die sich Interessenten stellen sollten. „Wichtig ist unter anderem, dass man sich über die Kosten im Klaren ist“, sagt Nees. Ob Tierarztbesuche, Futter, Versicherungen oder Hundesteuer – das Geld muss da sein. Auch sollte jeder Besitzer eine Antwort darauf haben, was er mit dem Haustier macht, wenn er in den Urlaub fährt oder für längere Zeit nicht zuhause ist. Märte rät sogar dazu, in der ersten Zeit komplett zuhause zu bleiben. So kann ein Vertrauen zwischen Besitzer und neuem Haustier aufgebaut werden, das Katzenklo sollte gezeigt und eventuell Möbel gesichert werden. Bei jungen Katzen weist er zudem darauf hin, „immer nur Pärchen zu adoptieren“.

Nees vom Tierheim Beckstetten betrachtet die Entwicklung während der Corona-Pandemie von zwei Seiten: Zum einen sei es natürlich immer Ziel des Tierheims, dass die hier vermittelten – und oft noch traumatisierten – Tiere in „geeignete Haushalte“ und „zu liebevollen Besitzern“ finden. Zum anderen bestehe durch die derzeitigen Umstände die Gefahr, dass Tiere „nur“ hier abgeholt werden, weil die Menschen viel Zeit haben. „Wenn nun das normale Leben mit all seinen Rechten und Pflichten wieder losgeht, kann die Betreuung eines Tieres womöglich zu viel werden und die Tiere landen wieder bei uns“, befürchtet Nees. Auch Widitz warnt: „Es gibt für diese Tiere nichts Schlimmeres, als wenn sie nach ein paar Tagen oder Wochen wieder zurück müssen, weil der Mensch es sich anders überlegt hat oder nicht mehr klarkommt.“

Schnupperzeit zum Start ist wichtig

Sind alle Fragen geklärt und steht der Vermittlung dann nichts mehr im Wege, kann das Haustier aber dennoch nicht sofort mit nach Hause genommen werden. Nees, Märte und Widitz sind sich einig: In der Regel können sich Interessenten die Tiere erst einmal anschauen, etwas Zeit mit ihnen verbringen und dann ein bis zwei Nächte darüber schlafen. „Das ist auch immer unser Vorschlag, damit wir halbwegs sicher gehen können, dass es auch klappt“, sagt Widitz. Manche kommen auch mehrere Male, um einen Kontakt zu den Tieren aufzubauen.

Nur in seltenen Einzelfällen – beispielsweise, wenn die Interessenten dem Tierheim schon bekannt sind – können die Tiere direkt mit nach Hause genommen werden. Wichtig ist momentan: Weil die Tierheime geschlossen sind, muss ein Termin fürs Kennenlernen ausgemacht werden. Zudem darf nur eine Person zu Besuch kommen und natürlich nur mit FFP2-Maske und genügend Abstand.

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