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Das „Fichtenhaus“ in Anhofen setzt auf moderne Therapieformen

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Von: Melanie Springer-Restle

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Snoezelen Raum mit Lichtsäulen
Mdl Pschierer (Mitte) besuchte am vergangenen Samstag das Fichtenhaus in Anhofen und wurde begleitet von (v. links) dem 1. Vorsitzenden des Fördervereins, Atila Toth, Geschäftsführer Harald Pienle, Schriftführerin Ingrid Rauch und dem 2. Vorsitzenden des Fördervereins Dr. Josef Nieberle. In der pädagogischen Einrichtung werden Menschen mit Spektrumsstörungen betreut. Zur Therapie gehört auch das sogenannte Snoezelen – eine in den Niederlanden entwickelte Entspannungstherapie, bei der mit diversen Reizen gearbeitet wie Lichteffekten, Geräuschen und Vibration gearbeitet wird. © Springer-Restle

Markt Wald/Anhofen – Seit der Eröffnung der pädagogischen Einrichtung im Dezember 2017 war MdL Franz Josef Pschierer nicht mehr hier gewesen. Nun erkundigte sich der Politiker (FDP) nach dem Status Quo und ließ sich unter anderem auch die moderne Therapieform des Snoezelen näherbringen.

Wie in einer Großfamilie leben die zwölf Mitbewohner des Fichtenhauses zusammen in der Anhofener Einrichtung für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen. Allein diese umfassen eine breite Palette an Symptomen wie etwa tiefgreifende Entwicklungsstörungen, ein reduziertes Interesse an sozialen Kontakten, sprachlichen Einschränkungen sowie einem reduzierten Verständnis sozialer Situationen. Bei allen Klienten liegt neben der jeweiligen Autismus-Spektrum-Störung zusätzlich eine geistige oder psychische Beeinträchtigung vor. „Das macht das Fichtenhaus so besonders, da hier die ganze Komplexität abgedeckt ist“, erklärt Geschäftsführer Harald Pienle.

Manche waren bereits als Jugendliche in die Einrichtung eingezogen und sind seitdem hier. Die Bewohner sind grob zwischen 20 und 60 Jahren, wobei das Durchschnittsalter zwischen 40 und 50 Jahren liegt. Kostenträger der Einrichtung ist die Regierung von Schwaben, weshalb auch die Mitbewohner vornehmlich aus dem Bezirk Schwaben stammen. Die Finanzierung läuft über sogenannte Maßnahmenpauschalen pro Klient, die in der Regel für ein Jahr festgelegt werden.

Doch die Pauschalen allein decken gerade mal den täglichen Bedarf der Mitbewohner ab. Um etwas mehr Spielraum für besondere Anschaffungen zu generieren, wurde 2020 ein Förderverein gegründet. Der Förderverein besteht seit 1991 und im Jahr 2020 wurde daraus die Fichtenhaus Lebensraum gGmbH gegründet, um das operative Geschäft auszugliedern. Zu umfangreich wäre es für die überwiegend ehrenamtlichen Vorstände gewesen, den Überblick zu behalten und möglichst zeitnah Entscheidungen treffen zu können.

Snoezelen und Waldtage

Dem Fichtenhaus e.V., ist auch der sogenannte Snoezelen-Raum zu verdanken, dessen Einrichtung allein 13.000 Euro gekostet hat.

Kurz erklärt: Das Wort „Snoezelen“ ist eine Wortschöpfung aus den beiden niederländischen Worten „snuffelen (schnüffeln, schnuppern) und „doezelen“ (dösen, schlummern). Durch verschiedene Programme, die in einem gemütlich gestalteten Raum abgespielt werden, sollen die Mitbewohner entspannen und sich geborgen fühlen. Je nach Vorliebe können sie liegen oder sitzen – umgeben von thematisch ausgesuchten Klängen oder Melodien und/oder Lichteffekten. Das pädagogisch passgenau ausgewählte Programm soll Wohlbefinden erzeugen und etwaige Spannungen lösen. Genau wie Snoezelen ist auch die regelmäßige Waldarbeit fest im Therapieplan verankert. Die derzeit zwei fixen Waldtage pro Woche sollen aufgestockt werden. „Wir wollen mehr präventiv arbeiten, um Spannungen vorzubeugen“, erklärt Pienle.

Dank des Fördervereins konnte auch ein E-Tandem angeschafft werden, mit dem Betreuer und Mitbewohner kleine Ausflüge machen können.

Tagsüber werden die Mitbewohner von vier bis fünf Mitarbeitern betreut, wobei immer mindestens eine pädagogische Fachkraft anwesend ist. Die Mahlzeiten werden von hauswirtschaftlichem Personal mit regionalen Produkten zubereitet. „Wir legen Wert auf eine saubere und ortsnahe Versorgung“, so Pienle.

Struktur und Flexibilität

Die Mahlzeiten geben den Mitbewohnern eine verlässliche Struktur, wobei die Essenszeiten flexibel gehandhabt werden. Zwischen den Mahlzeiten stehen Körperpflege, Besorgungsfahrten und Freizeitgestaltung auf dem Programm. Die Leistungsvereinbarung mit dem Bezirk Schwaben sieht explizit die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben vor. Auch der Besuch auf Weihnachtsmärkten oder Schwimmen und Reiten gehören dazu. Das Fichtenhaus möchte für alle Mitbewohner einen lebenswerten Lebensraum schaffen, den sie ihr Zuhause nennen können. Dazu tragen, so Pienle, auch die Nachbarn bei, zu denen ein sehr freundlicher Kontakt besteht. Jeder der Mitbewohner hat ein individuell gestaltetes Zimmer mit eigenem Bad. Tagsüber gibt es auch ein offenes Angebot im Aufenthaltsraum, in dem gebastelt und gesungen wird.

Impfpflicht als Hindernis

Als sich Pschierer nach der personellen Situation erkundigt, sind sich alle einig: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist in diesem Punkt kontraproduktiv. „Die erste Frage, die wir beim Vorstellungsgespräch fragen müssen, ist, ob die Bewerber geimpft sind. Wenn nicht, dürfen wir sie nicht einstellen“, bedauert Pienle. Pschierer schüttelte den Kopf. „Aber wehe, Sie fragen eine Bewerberin, ob sie schwanger ist!“, echauffierte sich der FDP-Politiker.

Pschierer jedenfalls war begeistert von dem therapeutischen Gesamtpaket, das den Mitbewohnern im Fichtenhaus zuteilwird. „Diese Einrichtung müsste man eins zu eins in Großstädte übertragen können“, so der Landtagsabgeordnete

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