„Gehört zu Europa“: Baerbock macht Bosnien Hoffnung - und droht Putin-Verbündetem

Mitten im Ukraine-Krieg reist Außenministerin Baerbock mehrere Tage in den Balkan. Die Region sei die „offene Flanke“ Europas, in die Putin als Nächstes drängen könnte, so Baerbock.
Update vom 10. März, 10.48 Uhr: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) will angesichts des Ukraine-Kriegs den Westbalkan stärker an die EU binden. Das betonte sie am Morgen bei einem Treffen mit ihrer bosnisch-herzegowinischen Kollegin Bisera Turkovic. „Dieses Land gehört zu Europa.“ Deswegen müsse gemeinsam intensiv und schneller an einer Beitrittsperspektive gearbeitet werden.
Zugleich rügte Baerbock nationalistische Tendenzen und, kaum verhohlen, den Anführer der bosnischen Serben, Milorad Dodik. Unterstützung gebe es künftig nur für jene, die sich für die Stärkung des Landes einsetzen und nicht für jene, die es schwächen und destabilisieren wollten, sagte die Grünen-Politikerin. Dodik arbeitete in den vergangenen Monaten daran, den serbischen Landesteil aus dem bosnischen Staatsverband herauszulösen. Dabei genießt er die Unterstützung Russlands.
Bosnien, das in Folge des Zerfalls Jugoslawiens von einem blutigen Krieg mit 100.000 Toten überzogen wurde, hat eine Beitrittsperspektive für die EU, aber noch keinen Kandidatenstatus. Turkovic verlangte ein abgekürztes Verfahren für die Zuerkennung des Kandidatenstatus sowie einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen. „Wir glauben, dass dies ein starker Beitrag zum Frieden in Bosnien (...) und in Europa wäre“, sagte sie. Derzeit sei der Westbalkan „eine Schwachstelle Europas“.
Baerbock reist auf den Balkan - und warnt Putin: „Werden diese Region nicht Russland überlassen“
Vorbericht: Sarajevo - Der Ukraine-Krieg* bestimmt derzeit die Agenda der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock* (Grüne). Auch, dass sie am Donnerstag zu einer Reise in den Balkan aufgebrochen ist, hängt damit zusammen. Viele Länder des westlichen Balkans seien „in den letzten Jahren enttäuscht und vernachlässigt“ worden, erklärte Baerbock im Vorfeld und warnte: „In diese offene Flanke drängen Akteure wie Russland hinein, die kein Interesse an einer europäischen Zukunft haben und nicht davor zurückschrecken, ungelöste Konflikte wieder zu schüren.“
Die Außenministerin besucht innerhalb von zwei Tagen Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Serbien und Moldau. Vor ihrem Abflug mahnte sie mehr europäisches Engagement in der Westbalkan-Region an. „Der russische Angriff auf die Ukraine ist eine Zäsur, die eindringlich zeigt: Europa muss bereit sein, strategisch in seine langfristige Sicherheit zu investieren“, erklärte Baerbock. Dies gelte auch für die Beziehungen zu den Ländern des Westbalkans.
Baerbock im Balkan: Putins nächstes Ziel nach der Ukraine die Republik Moldau?
Deutschland habe ein „fundamentales Interesse an einem politisch stabilen und wirtschaftlich prosperierenden Westbalkan, dessen Staaten sich in Richtung Europa orientieren“, betonte sie. Dafür werde die Bundesregierung sich einsetzen, etwa mit strategischen Investitionen vor allem in erneuerbare Energien. Ziel ihrer Reise sei es, den Menschen auf dem Westbalkan „zuzuhören“, um zu erfahren, „was die Menschen dort jetzt von uns erwarten - aber auch um deutlich zu machen, dass wir diese Region im Herzen Europas nicht dem Einfluss Moskaus überlassen werden“.
Während ihrer Reise wolle sie sich zudem ein „direktes Bild von der Situation vor Ort“ in der Republik Moldau machen, erklärte Baerbock weiter. Als Nachbarland der Ukraine bekomme Moldau die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs „mit am stärksten“ zu spüren. Es gibt Befürchtungen, dass der russische Präsident Wladimir Putin* nach seiner Invasion in die Ukraine als Nächstes nach Moldau greifen könnte*. Baerbock betonte: „Wir werden nicht zulassen, dass die von Russland verursachten Schockwellen auf weitere Länder in Europa überschwappen. Moldau kann sich auf die deutsche und europäische Solidarität verlassen.“
Europa habe in den vergangenen Tagen gezeigt, „dass es handlungsfähig und entschlossen ist, dem aggressiven Vorgehen des russischen Präsidenten“ entgegenzutreten, erklärte Baerbock. „Jetzt müssen wir zeigen, dass wir mit derselben Tatkraft bereit sind, uns gestaltend und zukunftsgerichtet in den Ländern der europäischen Nachbarschaft zu engagieren.“
Baerbock im Balkan: Treffen mit Völkermord-Opfern und deutschen Soldaten
Am Donnerstag ist Baerbock mit ihrer bosnisch-herzegowinischen Amtskollegin Bisera Turkovic zusammengekommen. Vor dem Hintergrund einer drohenden weiteren Destabilisierung Bosniens* will die Grünen-Politikerin um eine Orientierung in Richtung Europa werben. Baerbock wollte danach auch mit dem Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft, dem Ex-CSU-Politiker Christian Schmidt, zusammenkommen. Schmidt hatte kürzlich angesichts von nationalistischen Tendenzen des Serbenführers Milorad Dodik vor einer Spaltung des Landes gewarnt* und personenbezogene Sanktionen der EU ins Gespräch gebracht.
Baerbock will sich auch mit Vertreterinnen der Opferorganisation „Mütter von Srebrenica“ treffen. Beim Völkermord von Srebrenica im Bosnien-Krieg hatten serbische Truppen 1995 die dortige UN-Schutzzone überrannt und anschließend mehr als 8000 bosnisch-muslimische Männer und Jungen ermordet. Das Massaker gilt als schlimmstes Kriegsverbrechen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa.
Am Nachmittag will Baerbock in Pristina, der Hauptstadt des Kosovos, mit Präsidentin Vjosa Osmani und Ministerpräsident Albin Kurti Gespräche führen. Zudem war ein Treffen mit Vertretern der Nato-Mission KFOR sowie mit Soldatinnen und Soldaten des deutschen Einsatzkontingentes geplant. Im Rahmen der KFOR-Mission können bis zu 400 deutsche Einsatzkräfte ins Kosovo geschickt werden. Derzeit sollen rund 70 Bundeswehrsoldaten die öffentliche Ordnung in dem Land sichern und den Aufbau einer zivilen Friedensordnung unterstützen.
Alle Informationen zum Ukraine-Konflikt finden Sie im News-Ticker zu den Verhandlungen im Ukraine-Krieg und zur militärischen Lage im Ukraine-Krieg. Alle Informationen zum Hintergrund der Ukraine-Krise* finden Sie hier. (AFP/dpa/smu) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.