„Ich bin kein Star“ - Italiener Sassoli wird Präsident des Europaparlaments

Ein weiterer Stein des Brüsseler Personalpuzzles sitzt: Das Europaparlament hat einen neuen Präsidenten. Ein Teil der umstrittenen Absprachen beim EU-Gipfel ging damit auf.
Brüssel - Das Präsidentenamt des Europaparlaments bleibt in italienischen Händen. Mit großer Mehrheit wählten die Abgeordneten am Mittwoch David-Maria Sassoli als Nachfolger seines Landsmannes Antonio Tajani. Anders als der Konservative Tajani hat der 63-Jährige aus Florenz in den vergangenen Monaten die populistische Regierung Italiens scharf kritisiert, auch deren harte Migrationspolitik und konfrontative Haltung gegenüber den EU-Institutionen. Dass mit Sassoli nun ein Politiker der verhassten Oppositionspartei PD an der Spitze des Parlaments sitzt, dürfte den Populisten in Rom wenig gefallen.
Sassoli trat bisher nicht als politisches Schwergewicht in Erscheinung. In Italien ist er weniger als Politiker, denn als Nachrichtenmann bekannt. Denn er moderierte im Fernsehen die Hauptnachrichtensendung „TG1“. „Ich bin kein Star, ich bin sehr langweilig“, soll er einmal über sich selbst gesagt haben.
Zu Beginn seiner Karriere arbeitete er bei kleineren Tageszeitungen und Nachrichtenagenturen. 1985 begann er in der römischen Redaktion der Zeitung „Il Giorno“. Ab 1982 arbeitete er mit dem Fernsehsender RAI zusammen, wo er sich um Themen wie organisierte Kriminalität und Immigration nach dem Zerfall des Ostblocks beschäftigte. Zwischen 1996 und 1997 leitete er für den Fernsehsender Rai 2 die Sendung „La cronaca in diretta“, was ihm eine Auszeichnung als bester Reporter einbrachte.
Bei den EU-Wahlen 2009, als er das erste Mal in das Parlament einzog, erhielt er mehr als 400 000 Stimmen, was ein beeindruckendes Ergebnis für einen Politik-Neuling ist. In seiner ersten Amtszeit in Brüssel und Straßburg leitete er die italienische sozialdemokratische Delegation. Im Jahr 2013 kandidierte er einmal erfolglos als Bürgermeister der italienischen Hauptstadt Rom. Von 2014 bis 2019 war er einer der 14 Vizepräsidenten des EU-Parlaments.
Sassoli ist als progressiver Katholik bekannt. Laut seiner offiziellen PD-Biografie ist er seit seiner Jugend Teil katholischer Bewegungen, einschließlich der italienischen Pfadfinder. Der 63-Jährige ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist ein Fan von AC Florenz, dem wichtigsten Fußballverein seiner Heimatstadt.
Wird von der Leyen EU-Kommissionspräsidentin? Die Abstimmung im Europaparlament am Dienstag (16. Juli 2019) wird entscheiden. Um 18.00 Uhr geht es los. Alle Neuigkeiten und Entwicklungen finden Sie in unserem News-Ticker.
Sassoli lässt drei weitere Kandidaten hinter sich
Sassoli setzte sich im zweiten Wahlgang mit 345 Stimmen gegen drei andere Kandidaten durch. Nötig waren mindestens 334 Stimmen. Die deutsche Grüne Ska Keller, die sich ebenfalls als Präsidentin des Parlaments beworben hatte, erhielt 119 der 667 gültigen Stimmen.
Dass ein Sozialist in den ersten zweieinhalb Jahren der Legislaturperiode Parlamentspräsident wird, ist Teil einer Absprache der EU-Staats- und Regierungschefs über die künftige Führung der Europäischen Union. Sie hatten ein Personalpaket entworfen, in dem alle Parteien vertreten sind.
Die Europäische Volkspartei soll in der zweiten Hälfte der fünfjährigen Legislaturperiode dran sein und verzichtete jetzt auf einen eigenen Kandidaten bei der Präsidentenwahl. Damit stützte sie Sassolis Kandidatur. Die Gipfelabsprachen gingen also auf.
Der scheidende Parlamentspräsident Antonio Tajani hatte allerdings zum Auftakt der Sitzung am Mittwoch betont, dass sich das Haus keine Vorschriften machen lasse: „Dies ist ein freies und autonomes Parlament“, sagte der Italiener.
Sassoli sagte vor der Wahl in seiner Bewerbungsrede, er wolle die Bedeutung des Parlaments weiter stärken. „Wir brauchen ein Parlament, das eine wichtigere Rolle spielt.“ Die kommenden fünf Jahre seien voller Herausforderungen. „Wir müssen wieder zu Vertrauen kommen, gegenseitiges Vertrauen herstellen zwischen den Bürgern und den Institutionen“, sagte der Italiener. „Dazu benötigen wir all unseren Ehrgeiz und all unseren Mut.“
Immer noch offen ist dagegen die Personalie EU-Kommissionspräsident. Über den Vorschlag der Europarates Ursula von der Leyen zu wählen, diskutierten die Teilnehmer der Talk-Runde „Hart aber fair“ heftig.
Lesen Sie auch: „Jetzt langt es!“ - CSU-Politiker laufen Sturm gegen den Hinterzimmer-Deal mit von der Leyen
dpa