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Frankreichs Präsident Macron räumt Meinungsverschiedenheiten mit Angela Merkel ein

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Emmanuel Macron spricht in Paris unter anderem über seine Unstimmigkeiten mit Angela Merkel
Emmanuel Macron spricht in Paris unter anderem über seine Unstimmigkeiten mit Angela Merkel © AFP

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht im Élyséepalast: Themen sind seine Reformpolitik, Steuersenkungen und Unstimmigkeiten mit Angela Merkel.

Paris - Vier Wochen vor der Europawahl hat Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron den Franzosen neue milliardenschwere Zugeständnisse in Aussicht gestellt. Die Einkommensteuer solle sinken - «für diejenigen, die arbeiten», sagte der 41-Jährige.

Macron sprach gleichzeitig von der Notwendigkeit, «mehr zu arbeiten». Allein die geplante Steuersenkung werde mit rund fünf Milliarden Euro zu Buche schlagen. Macron kündigte weiter an, dass Rentner mit Bezügen unter 2000 Euro vom kommenden Jahr an einen Teuerungsausgleich erhalten sollen. Er reagierte damit auf Kritik von Rentnern an der Regierungspolitik. Diese Maßnahme dürfte nach Medienberichten über eine Milliarde Euro kosten.

Europawahl zwingt Macron zum Handeln

Der seit knapp zwei Jahren amtierende Staatschef hatte mit einer monatelangen Bürgerdebatte auf die Dauerproteste der «Gelbwesten» reagiert. Die Demonstrationen der «Gelbwesten» lösten die bisher größte politische Krise in Macrons Amtszeit aus. «Ich ziehe es vor, verantwortungsbewusst und unbeliebt zu sein, anstatt zu versuchen, auf eine Art und Weise zu verführen, die völlig kurzlebig wäre», sagte Macron.

Vor der Europawahl Ende Mai steht er besonders unter Druck. Denn die Nationale Sammlungsbewegung seiner rechtspopulistischen Erzrivalin Marine Le Pen ist der Präsidentenpartei La République en Marche (LREM) in Umfragen dicht auf den Fersen oder liegt sogar gleichauf.

Macron sagte, dass bis 2022 keine Krankenhäuser und Schulen im Land geschlossen werden sollen. Er will auch eine weitergehende Dezentralisierung der staatlichen Verwaltung durchsetzen. Frankreich hat eine lange Tradition eines starken Zentralstaates. In der Frage- und Antwort-Runde mit Journalisten kündigte er an, dass er die Elitehochschule ENA schließen wolle. Ein delikates Vorhaben, denn Macron ist selbst Absolvent dieser Kaderschmiede für den öffentlichen Dienst.

Macron räumt Meinungsverschiedenheiten mit Merkel ein

Frankreichs Staatschef hat zudem "Unstimmigkeiten" mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeräumt. Beim Brexit und bei der Klimapolitik sei er mit Merkel nicht auf einer Linie, sagte der Staatschef am Donnerstag in Paris. Er sprach von "fruchtbaren Konfrontationen", an deren Ende immer der Wille zu einem Kompromiss stehe.

Die Differenzen zwischen dem französischen Präsidenten und der Kanzlerin waren zuletzt beim EU-Sondergipfel am 10. April zutage getreten. Während Merkel einen längeren Brexit-Aufschub befürwortete, sprach sich Frankreich dagegen aus.

Mit den Reformplänen will der sozialliberale Präsident das soziale Klima in Frankreich beruhigen und Vertrauen zurückgewinnen. Bereits im Dezember hatte der Staatschef soziale Maßnahmen in einem Umfang von rund zehn Milliarden Euro angekündigt. Deshalb wird das Staatsdefizit im laufenden Jahr aller Voraussicht nach über dem Maastrichter Grenzwert von drei Prozent der Wirtschaftsleistung liegen.

Macron will die nun angekündigte milliardenschwere Steuersenkung mit dem Ende von Steuervorteilen für Unternehmen und mit weniger Staatsausgaben gegenfinanzieren. Auch Mehrarbeit der Bürger sei nötig, das gesetzliche Renteneintrittsalter - 62 Jahre in Frankreich - solle jedoch nicht angehoben werden.

Vermögensteuer abgelehnt, Petitionen leichter möglich

Eine Wiedereinführung der Vermögensteuer lehnte Macron erneut ab. Die Vermögensteuer war mit dem Haushaltsgesetz 2018 abgeschafft worden, das hatte dem Ex-Investmentbanker den Ruf eingebracht, ein «Präsident der Reichen» zu sein. Macron will die Beteiligung von Bürgern stärken, so sollen Petitionen mit mindestens einer Million Unterschriften an das Parlament möglich sein.

Während der Bürgerdebatte hatte der 41-jährige Macron seit Jahresbeginn oft stundenlang in Turnhallen und Gemeindehallen mit Bürgermeistern, Schülern oder Verbandsvertretern diskutiert. Bürger äußerten sich im Internet, bei Versammlungen oder in Beschwerdebüchern. Rund 1,5 Millionen Menschen beteiligten sich an der Debatte.

Der Protest der «Gelbwesten» hatte sich im November an der geplanten Erhöhung der Treibstoffsteuern entzündet. Inzwischen geht es allgemein um soziale Ungerechtigkeiten, auch Macron selbst wird offen angegriffen. Bei Demonstrationen kam es immer wieder zu heftigen Ausschreitungen - vor allem in der Hauptstadt Paris.

Präsident Macron stellt sich erstmals Journalisten

Eigentlich wollte Macron die Pläne in einer TV-Ansprache am 15. April verkünden. Dann kam aber der Brand der Kathedrale Notre-Dame dazwischen. Darauf verzichtete Macron auf die TV-Ansprache, hielt aber an der Pressekonferenz fest. Es war das erste Mal, dass sich der Präsident bei Fragen nationaler Angelegenheiten in dieser Form von Journalisten befragen lässt. Bisher hielt der einstige Senkrechtstarter Medienvertreter eher auf Distanz.

Macron schlug auch bei den Reizthemen Einwanderung und politischer Islam harte Töne an. Zur Immigration sagte er, Frankreich stehe zum Asylrecht, wolle aber Missbrauch bekämpfen.

dpa/AFP

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