Heftiger Schmuggel-Vorwurf gegen Scheuer: CSU-General schießt zurück

SPD-Vize Ralf Stegner wirft CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer vor, einen Satz im Sondierungspapier heimlich eingetragen zu haben. Für Vertrauen zwischen SPD und Union sorgt das nicht. Scheuer reagiert mit Gegenvorwürfen.
München - Das Misstrauen ist groß, nach einem echten Team klingen diese Vorwürfe jedenfalls nicht. Trotz der 24-Stunden-Marathon-Sondierungen am Ende der vergangenen Woche, die gut und gerne auch für Zusammenhalt hätten sorgen können.
Worum geht es? Wie die „Bild“-Zeitung berichtet, soll nach der finalen Runde um die drei Parteichefs Angela Merkel (CDU), Martin Schulz (SPD) und Horst Seehofer (CSU) plötzlich ein Teilsatz im Sondierungspapier gestanden haben, der zuvor nicht Gegenstand der Verhandlungen gewesen sein soll. Zuerst hatte „Welt“-Journalist Robin Alexander via Twitter darüber berichtet.
Stegner: „Eine Intrige der CSU“
Gegenstand des Satzes war dem Bericht zufolge, dass in den neuen zentralen Asyl-Einrichtungen künftig „Residenzpflicht herrschen und das Sachleistungsprinzip“ gelten solle. Das würde bedeuten: Flüchtlinge dürften den Ort nicht verlassen und erhielten kein Bargeld.
SPD-Vize Ralf Stegner zur „Bild“-Zeitung: „Der Satz war definitiv vorher nie verhandelt worden. Eine Intrige der CSU.“
Mittlerweile ist der Satz aber verschwunden, denn SPD-Chef Schulz sorgte offenbar noch dafür, dass der Satz nachträglich rausflog. Laut „Bild“ musste ihn CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer - auf dessen Laptop das Papier geschrieben wurde - löschen. Auf Geheiß seines Chefs Seehofer und Merkel.
Scheuer auf Nachfrage des Blattes: „Martin Schulz kam nachträglich mit mehreren Änderungen. Der einen haben wir nachgegeben.“
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Stegner erweitert Vorwurf um diesen Satz
Nun geht es aber um einen weiteren Satz im Papier. Und wieder um einen, der die Asyllinie der möglicherweise kommenden GroKo festlegen soll. In der Passage zum Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiärem, also eingeschränktem Schutz heißt es:
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„Im Rahmen der Gesamtzahl ermöglichen wir 1000 Menschen pro Monat den Nachzug nach Deutschland. Im Gegenzug laufen die EU-bedingten 1000 freiwilligen Aufnahmen pro Monat von Migranten aus Griechenland und Italien aus.“

Laut Stegner war der zweite Satz so nicht abgesprochen gewesen: Dem Spiegel sagte er: „Es wurde vereinbart, dass diese Passage rauskommt.“ Zwar habe dieser Punkt in der Realität keine große Bedeutung. „Entscheidend aber ist die Methode. CSU-Generalsekretär Scheuer hat diesen Satz reingeschmuggelt, in der Hoffnung, dass das keiner merkt.“ Ein solches Vorgehen sei unseriös und befremde auch CDU-Leute, so Stegner weiter.
Wie das Magazin berichtet, wurde die Darstellung Stegners in der CSU als „falsch“ zurückgewiesen. Der Satz sei ein Vorschlag der Kanzlerin gewesen und in der Sechserrunde der Partei- und Fraktionschefs vereinbart worden.
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SPD sieht weiteren Kritikpunkt im Sondierungs-Papier
In den Sondierungen hatten sich Union und SPD darauf geeinigt, den derzeitigen Nachzugstopp zunächst zu verlängern. Ende des Sommers soll dann eine Neuregelung in Kraft treten: Der Familiennachzug zu Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz soll dann in sehr engem Rahmen möglich sein (s.o.: 1000 Menschen pro Monat).
Doch die Formulierungen im Sondierungs-Papier sollen missverständlich sein, erklärt der Spiegel:
Denn nur für folgende Personengruppen komme ein Nachzug demnach überhaupt in Frage: „Wenn es sich um Ehen handelt, die vor der Flucht geschlossen worden sind", wenn „keine schwerwiegenden Straftaten begangen wurden", wenn „es sich nicht um Gefährder handelt" und wenn „eine Ausreise kurzfristig nicht zu erwarten ist".
Und weiter: „Mit der gesetzlichen Neuregelung wollen wir Anreize ausschließen, die dadurch entstehen, dass Minderjährige von ihren Eltern unter Gefährdung des Kindeswohls zukünftig auf die gefährliche Reise vorgeschickt werden.“
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Stegner fordert Nachbesserung bei Härtefallregelung
Man könnte das so interpretieren, dass der Nachzug nach der Neuregelung nur für Ehepartner möglich sein soll, Eltern aber nicht ihren minderjährigen Kindern folgen dürfen. Der SPD-Linke Stegner weist das zurück:
„Es ist ganz klar, dass es beim Familiennachzug nicht nur um Ehepartner, sondern auch um die Zusammenführung minderjähriger Kinder und ihrer Eltern geht. Das ist der noch wichtigere Punkt. Darauf haben wir uns alle geeinigt, auch wenn das so explizit nicht drin steht.“

Auch die offenbar beschlossenen Härtefallregelung für den Familiennachzug fehlten gänzlich. Diese müsse aber in den Koalitionsverhandlungen dringend wieder verankert werden, fordert Stegner.
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Das sagt Scheuer zu den Anschuldigungen
Auf Nachfrage teilte Scheuer unserer Onlineredaktion mit: „Stegner liegt falsch. Stegner soll nicht behaupten, das sei ein CSU-Trick gewesen. Wenn er den Text vorher schwarz auf weiß lesen kann und die SPD-Delegation den Text einstimmig annimmt, dann kann man nur das jetzige Stegner-Manöver, das jetzt so falsch zu behaupten, als Trickserei bezeichnen.“
Die Ergebnisse seien durch „harte, aber faire Verhandlungen“ entstanden, sagt auch CSU-Chef Seehofer und bleibt hart: „Die Sondierungsergebnisse sind und bleiben die Grundlage für die Koalitionsverhandlungen.“
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All das klingt nach harten Koalitionsverhandlungen - wenn es denn überhaupt zu welchen kommt. Denn dazu müssen die Sondierungsergebnisse zuallererst den SPD-Parteitag überstehen. Diese Grabenkämpfe dürften das Vertrauen der sozialdemokratischen Basis in eine Neuauflage der GroKo nicht gerade stärken.
Den aktuellen News-Ticker zu den GroKo-Verhandlungen finden Sie hier.
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afp, mke
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