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Waffenhändler von David S.: In dieser Kiste hortete er die Pistolen

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In dieser Metallkiste fanden die Ermittler die Schusswaffen des festgenommen Waffenhändlers.
In dieser Metallkiste fanden die Ermittler die Schusswaffen des festgenommen Waffenhändlers. © dpa

Frankfurt/München - Eine Waffenübergabe mit Gitarrenkoffern und eine an einer Verkehrsinsel vergrabene Munitionskiste: Der Waffenlieferant des Münchner Amokläufers hat im richtigen Leben viele Spuren hinterlassen.

Ein ausgemachter Profi war er wohl nicht. Zwar handelte der arbeitslose Verkäufer anonym mit Waffen und Munition im berüchtigten Darknet - dem dunklen Teil des Internets. Zumindest einen Teil seiner Ware übergab der 31-Jährige aber bei Treffen in seiner Heimat Marburg direkt den Kunden - so auch dem Amokläufer von München.

Zweimal soll der 31-Jährige in der mittelhessischen Universitätsstadt den späteren Amokläufer getroffen und von diesem für die Pistole Modell Glock 17 und 350 Patronen insgesamt 4350 Euro bekommen haben. Treffpunkt des Scheingeschäfts mit den verdeckten Ermittlern, bei dem der Mann am Dienstag in die Falle tappte, war ebenfalls Marburg.

Auch anonyme Käufe im Darknet sind nachvollziehbar

Vom Busbahnhof führte der mutmaßliche Waffenhändler seine vermeintlichen Kunden auf einen Parkplatz in der Nähe, auf dem er sein Auto abgestellt hatte. In dem Wagen befand sich die bei dem fingierten Geschäft bestellte Ware: eine Maschinenpistole, eine Pistole Modell Glock 17 und Munition. Die Auto-Kennzeichen hatte der Beschuldigte zuvor abgeschraubt. „Er wollte Hinweise auf seine Identität verschleiern“, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, Alexander Badle, am Mittwoch. In Wirklichkeit seien fehlende Kennzeichen aber noch auffälliger.

Ein Amateur - der das Risiko eines direkten Treffens unterschätzte? Badle formuliert es so: „Wenn man das im realen Leben übergibt, kann man schon mutmaßen, dass da bestimmte Defizite vorhanden sind.“ Der Oberstaatsanwalt warnt jedoch zugleich: Auch die anonyme Lieferung und Bezahlung über Paketstationen und Bitcoins schütze Täter keineswegs vollständig.

So hätten andere Kunden des mutmaßlichen Waffenhändlers - der 62 Jahre alte Buchhalter aus dem Kreis Arnsberg in Nordrhein-Westfalen und der 17 Jahre alte Schüler aus Nordhessen - auch völlig anonyme Käufe im Darknet abgewickelt. Die Ermittler seien ihnen dennoch auf die Spur gekommen - und somit auch dem 31-Jährigen.

Wusste der Waffenlieferant von den Amok-Pläne seines Kunden?

Als nicht besonders professionell bewerten Ermittler auch, dass sich der Mann während der Anbahnung des Scheingeschäfts als Verkäufer der Amok-Waffe von München zu erkennen gab. Hinweise darauf, dass der 31-Jährige von den Amok-Plänen seines Kunden wusste, haben die Ermittler bislang nicht. Der 18-Jährige hatte am 22. Juli am Münchner Olympia-Einkaufszentrum mit der Pistole neun Menschen erschossen und sich anschließend selbst getötet. Vier Tage zuvor soll er die Munition in Marburg von dem 31-Jährigen gekauft haben.

Filmreife Übergabe im Gitarrenkoffer

Filmreif klingt die Waffen-Übergabe mit dem 17-jährigen Schüler aus Nordhessen. Dabei seien Gitarrenkoffer ausgetauscht worden, berichten die Ermittler. Überbringer des Gitarrenkoffers mit dem bestellten Repetiergewehr und den 157 Patronen zum Preis von 1150 Euro war die gleichaltrige Freundin des mutmaßlichen Waffenhändlers. Sie war nach der Festnahme ihres Lebensgefährten vorübergehend festgenommen worden, wurde aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Es wird aber weiter gegen sie ermittelt.

Alles andere als unauffällig muss nach Einschätzung der Ermittler auch das Versteck einer Waffenkiste gewesen sein. Auf diese hatte der 31-Jährige die Ermittler bei seiner ersten Vernehmung hingewiesen. Die Kiste enthielt eine Maschinenpistole, vier halbautomatische Pistolen und Munition und war in der Nähe von Köln vergraben: In einem Waldstück direkt an der Autobahn zum Flughafen Köln/Bonn. „Um die Kiste zu vergraben, musste er sein Auto auffällig auf dem Standstreifen abstellen“, sagte Badle.

dpa

Ali David S. spart für Waffenkauf

Woher hatte Amokläufer Ali David S. das Geld für die Waffen? Inzwischen steht fest: Er sparte sich die Summe mühsam zusammen - mit Taschengeld und Zeitungsaustragen. Gelöst ist auch das Rätsel, wo sich der 18-Jährige nach dem Attentat aufhielt. Laut LKA lief er vom OEZ in das Zwischengeschoss des Parkhauses, feuerte dort 17 Schüsse in ein geparktes Fahrzeug und ging dann auf das oberste Parkdeck, wo er lautstark mit Anwohner Thomas Salbey stritt. Zwei Polizisten sahen ihn, einer feuerte, verfehlte den Amokläufer aber. Der flüchtete danach über die nördliche Außentreppe nach unten, überquerte die Riesstraße, wo er eine Grünanlage betrat. Von dort lief er zwischen den Häusern zur Henckystraße, wo er durch eine offene Tür ein Treppenhaus betrat. Dort sprach er mit Anwohnern, die er verschonte. Dann versteckte er sich länger in der Tiefgarage des Hauses. Als er das über eine Treppe verließ, traf er auf Beamte, vor deren Augen er Selbstmord beging. Nach BR-Recherchen machte er noch kurz vor der Tat Schießübungen und verballerte dabei 100 Schuss Munition!

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