Ukraine-Krieg: Preise von Öl und Gas explodieren: Die Gründe und wie es weitergeht

Autofahrern treibt es beim Blick auf die Spritpreise Schweißperlen auf die Stirn. Sowohl Benzin als auch Diesel scheinen täglich teurer zu werden. Erklärungen zu den wichtigsten Fragen.
München - Die internationale Staatengemeinschaft forciert das Ende des „schwarzen Goldes“, durch den Ukraine-Konflikt* erscheint die Notwendigkeit nicht mehr „nur“ im Hinblick auf Klimaschutz wichtig. Wie hängen der in schwere Turbulenzen geratene Ölmarkt, der Krieg in der Ukraine sowie die enorm gestiegenen Preise miteinander zusammen? Antworten zu den wichtigsten Fragen:
Warum steigen die Spritpreise so rasant?
Bereits 2021 war die durch Energie getriebene Inflation erheblich, das betrifft auch die Spritpreise. Mit der Eskalation im Ukraine-Konflikt (Chronologie*) wurde dieser Effekt weiter angeheizt. Die Notierungen der Ölsorten Brent und WTI erreichten im weltweiten Großhandel am Montag (7. März) Höhen wie seit fast 15 Jahren nicht mehr. Das Opec-Kartell und die Opec-Plus-Länder einschließlich Russlands haben durch ihre Entscheidungen zu Fördermengen großen Einfluss, mit den USA gibt es einen weiteren dominanten Akteur. Holen die Ölstaaten mehr „schwarzes Gold“ aus dem Boden, vergrößert dies das Angebot. Bei damit abnehmender Knappheit gehen die Preise in der Regel zurück.
Auch die Nachfrage spielt eine große Rolle. Durch die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise hat der Ölhunger vielerorts zugenommen. Ein Effekt ist, dass sich Marktteilnehmer mit übermäßig viel Rohöl eindecken, weil sie eine Verschärfung des Krieges befürchten. So ist ein folgendes „Überwälzen“ von Preissteigerungen zuerst auf die Wirtschaft und zeitverzögert auf die Verbraucher unvermeidbar. Und das ist der nun maßgebliche Punkt. Schon vor der russischen Invasion in die Ukraine gingen die Ölpreise hoch, seitdem umso mehr.
US-Außenminister Antony Blinken berät mit Europa zwar über einen Importstopp. Die Bundesregierung zeigt sich jedoch noch zurückhaltend zu Forderungen nach einem Energie-Embargo. Alleine die Spekulationen und Sorgen um Knappheit agieren längst als Treiber der Rohölpreise. Am Morgen legte die Nordseesorte Brent um bis zu 18 Prozent zu und stand bei 139,13 Dollar je Barrel, im Sommer 2008 hatte der Preis zuletzt darüber gelegen. Bei der US-Sorte WTI (130,50 Dollar) war es ähnlich.
Spritpreis-Prognose: Werden Benzin und Diesel noch teurer als jetzt?
Kommt ein Einfuhrverbot für russisches Erdöl und Erdgas? International gibt es Druck, die Bundesregierung agiert jedoch zurückhaltend. Aus Sicht der Verbraucher sollte das so bleiben: Sollte es zum Embargo kommen, würde Energie abermals „dramatisch steigen“, wie Bundesfinanzminister Christian Lindner schilderte. Der Verband Fuels und Energie erklärte, die Branche habe schon begonnen, Importe aus Russland zu reduzieren. Alternativen stehen jedoch nach wie vor nicht bereit. Angesichts der hohen Gesamtmengen sei kurzfristiger Ersatz „extrem anspruchsvoll und nicht vollständig realisierbar“. Bei dem per Tanker - etwa über Rotterdam - kommenden Rohöl sei eine Umstellung auf andere Lieferländer noch vergleichsweise gut möglich.
Ein Großteil der Energie kommt nach wie vor über die russische Druschba-Pipeline* in die Bundesrepublik. „Lieferunterbrechungen wegen beschädigter Infrastruktur bis zu russischen Gegensanktionen könnten Konsequenzen für Europas Energiebranche haben“, hieß es vom Analysehaus Scope Ratings. Ob beim Erdölpreis das Ende der Fahnenstange nun erreicht ist, dazu veröffentlichte die US-Großbank JPMorgan eine erschreckende Prognose: Sollten sich die derzeitigen Störungen fortsetzen, trauen die Analysten der Nordseesorte Brent bis zum Jahresende einen Preis von 185 Dollar je Barrel zu. Rohstoffexpertin Gabriele Widmann von der Dekabank rechnet dauerhaft mit höheren Energiepreisen, weil günstige russische Energie Vergangenheit sei: „Es kann im Extremfall sein, dass wir bis zu drei Euro pro Liter Sprit zahlen müssen“, so die These gegenüber RTL/ntv.
Warum ist Diesel plötzlich teurer als Benzin?
Beim Blick auf den Dieselpreis reiben sich viele Autofahrer derzeit verwundert die Augen: Diesel ist in Deutschland teilweise teurer als Benzin. Hauptursache ist die verfrühte, hohe Nachfrage nach Heizöl. Diesel werde zwar weniger besteuert als Benzin und gerade im März ist der Preisabstand zum Superbenzin normalerweise relativ groß, erklärt der ADAC in einer Analyse. Jedoch: Seit einiger Zeit sei die Nachfrage nach Heizöl derart stark, weil viele Hausbesitzer aufgrund des Ukraine-Kriegs Lieferprobleme fürchten und sich schon jetzt mit Blick auf den kommenden Winter Vorräte zulegen.
Wird Diesel jetzt knapp?
Auf der anderen Seite haben Importeure die Einfuhr von Diesel aus Russland* zurückgefahren, wie der für Raffinerien und Markentankstellen zuständige Wirtschaftsverband Fuels und Energie (en2x) erklärt. Im vergangenen Jahr hatte Deutschland noch vier Millionen der hierzulande verbrauchten 35 Millionen Tonnen aus dem flächenmäßig größten Land der Erde bezogen. „Diesel bleibt verfügbar, wird aber knapper“, erklärte Verbandssprecher Alexander von Gersdorff. Rational liegt der hohe Dieselpreis also an den angeblich unbegründeten Sorgen der Verbraucher.
Bleibt Diesel auf Dauer teurer als Benzin?
Die Sorgenfalten bei Menschen, die auf das Auto angewiesen sind, sind groß: Der ADAC rät Autofahrern, besser abends als in der Früh zu tanken. Im Tagesverlauf schwanke der Benzinpreis an ein und derselben Tankstelle oftmals um rund 7 Cent. Entscheidend ist auch die Frage, wo getankt wird: Freie Tankstellen seien oft billiger als Markentankstellen. Auf den Autobahnen sei das Tanken oft um die 20 oder sogar 30 Cent teurer. Grund sei der mehr oder weniger intensive Wettbewerb und das Verhalten der Kunden, sagt ein Experte des Verkehrsclubs. Dessen Prognose macht zumindest Hoffnung: Vor zehn Jahren sei Diesel auch einmal teurer gewesen als Benzin, aber das sei eine große Ausnahme. „Das wird nicht dauerhaft so bleiben.“
Was hilft eine Steuersenkung auf Benzin und Diesel?
Der Rohölpreis macht nur einen Teil der Kosten an der Zapfsäule aus: Bei einem Super-E10-Preis von 1,96 Euro entfallen in Deutschland stolze 1,05 Euro auf Steuern und Abgaben. Dennoch ist der Ölpreis der stärkste Preistreiber: Ein Anstieg des Ölpreises um einen Dollar macht fast einen Cent bei Benzin oder Diesel aus. Seit Kriegsbeginn stieg der Ölpreis um rund 20 Dollar je Barrel - sollte der Staat einschreiten, um Bürger zu entlasten?
Angesichts stark steigender Energiepreise drängen führende Unionspolitiker auf eine Senkung der Benzinsteuer: Der Satz müsse „schnell wie möglich“ von 19 auf sieben Prozent reduziert werden, erklärte Markus Söder* (CSU) am Montag. Insgesamt sei wegen der Situation in Deutschland eine „sofortige Energiepreisbremse“ nötig, insbesondere im Bereich von Kraftstoffen. Auch Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) fordert eine „Spritpreisbremse“. Söder brachte zugleich eine mögliche Senkung der Mehrwertsteuer auf null über entsprechende Beschlüsse auf EU-Ebene ins Gespräch. Auch dies sei zeitlich befristet möglich, erklärte Bayerns Ministerpräsident.

Warum explodiert der Gaspreis?
Wie beim Rohöl, stieg auch der Gaspreis zuletzt stark. Deutschland bezog nach Daten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zuletzt über die Hälfte seines Erdgasbedarfs aus Russland. Das Gas strömt über Transitleitungen durch die Ukraine und Belarus sowie über Nord Stream 1 durch die Ostsee. Die Zertifizierung von Nord Stream 2 ist gestoppt.
Auch beim Gas sind politische Entscheidungen und Befürchtungen maßgebliche Treiber der Teuerungsrate: Der Preis für Erdgas in Europa hat angesichts eines möglichen Importstopps für russische Energielieferungen neue Höchststände erreicht. Am Montag wurde am niederländischen Handelspunkt TTF eine Megawattstunde zeitweilig für 345 Euro gehandelt - ein Plus von rund 60 Prozent. In Großbritannien stieg der Preis für ein sogenanntes Therm, eine dort verwendete Wärmeeinheit, auf 800 Pence. Weil Russland ein wichtiges Herkunftsland für Rohstoffe ist, wirkt sich der Krieg also auch auf die Energiemärkte dramatisch aus und heizt zugleich Debatten über eine energiepolitische Neuausrichtung an.
Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch führte die „Preisexplosion“ am Montag auf derartige Überlegungen des Westens zurück. Zudem gebe es Spekulationen, dass Europa von sich aus entscheiden könne, russische Gasimporte zu stoppen, erklärte der Experte. Bislang jedoch „fließt das Gas noch normal“, fügte Fritsch hinzu.
Wen treffen die steigenden Energiepreise am meisten?
Führende Politiker wie Annalena Baerbock erklärten, Deutschland müsse aufgrund des Ukraine-Konflikts einen hohen Preis bezahlen. Jedoch sind es weniger die Regierenden als normale Bürger, die durch höhere Spritpreise vor Probleme gestellt werden. Branchenspezifisch werden besonders energieintensive Sparten wie die Chemieindustrie mit der Preisspirale konfrontiert. Der Industriezweig warnt schon länger vor Schwierigkeiten, sollte Gas in Europa knapp werden, so der deutsche Verbandschef Wolfgang Große Entrup gegenüber dpa: „Den Chemieunternehmen drohen in diesem Fall explodierende Preise für Erdgas bei einem ohnehin historisch extrem hohen Preisniveau.“ So steht außer Frage, dass indirekt letztlich die Verbraucher die gewaltigen Mehrkosten durch die Eskalation im Ukraine-Konflikt stemmen.
Auch das im Ukraine-Konflikt eher neutrale China ist abhängig von Technologie-Vorprodukten und Rohstoffen aus dem Ausland. Vieles davon muss es bei geopolitischen Rivalen einkaufen. (PF mit Material von dpa/afp) *Merkur.de ist Teil von IPPEN.MEDIA