Zahlen Autofahrer die Zeche für das Versagen der Autobranche?

Werden Verbraucher dafür bestraft, dass Politik und Industrie ihren Verpflichtungen nicht gerecht wurden? Politiker und Verbände streiten über die richtigen Lösungen.
Nach dem Diesel-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat der für Verbraucherschutz zuständige Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eine Entlastung der Autofahrer bei technischen Nachrüstungen gefordert. Die Autofahrer dürften "nicht die Zeche zahlen für das Versagen der Autobranche", sagte Maas der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Mittwochsausgabe). "Wir erwarten von der Automobilindustrie, dass sie Euro 5- und Euro 6-Fahrzeuge technisch nachrüstet", sagte Maas.
Alleinige Software-Updates reichten nicht aus, sagte Maas. Die Kosten für notwendige Nachrüstungen dürften aber nicht an den Käufern hängenbleiben.
Pauschale Fahrverbote lehnte Maas ab. Diese gingen am Ende zu Lasten der Autofahrer und der Wirtschaft, kritisierte er. Auch der Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, Andreas Ehlert, lehnt eine neue Umweltzone mit der blauen Plakette strikt ab. "Das würde es den Kommunen sehr leicht machen, Fahrverbote flächendeckend zu verhängen", sagte er dem "Handelsblatt".
Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sieht die blaue Plakette hingegen als einzige Möglichkeit, Fahrverbote durchzusetzen, um die Gesundheit der Bürger zu schützen. Er sagte im Bayerischen Rundfunk, er sehe nicht ein, im Zweifel auch Fahrer neuer Diesel oder gar Benziner und Elektroautos aussperren zu müssen, "nur weil der Bund keine Lust hat, eine blaue Plakette zu erlassen". Ähnliches sagte auch Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, im "Morgenmagazin" des ZDF.
Diesel-Fahrverbote: Fängt eine Prozesslawine an zu rollen?
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsbergs, sagte der "Rheinischen Post", er sehe nach dem Urteil eine Prozessflut auf Kommunen und Autobauer zukommen. Es bestehe nicht nur "die Gefahr einer 'Mammut-Fahrverbotsbürokratie'", sagte Landsberg. Es sei auch eine Prozessflut zu befürchten, mit der sich betroffene Dieselfahrzeugbesitzer, "aber auch Anlieger von Straßen, die dann unter dem Umwegeverkehr leiden," zur Wehr setzen würden.
Gerade weil das oberste Verwaltungsgericht die Verhältnismäßigkeit und die Fahrverbote als allerletztes Mittel hervorgehoben habe, sei eine solche Entwicklung "gut vorstellbar", sagte Landsberg.
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte am Dienstag geurteilt, dass Städte zur Senkung der Stickoxid-Belastung grundsätzlich Fahrverbote für Dieselautos verhängen dürfen. Dazu sei keine bundeseinheitliche Regelung nötig. Allerdings verwiesen die Richter ausdrücklich darauf, dass bei Fahrverboten die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben und es auch Ausnahmen etwa für Handwerker geben muss.
Die künftige Bundesregierung wird sich nach Aussage von Regierungssprecher Steffen Seibert zügig mit der Möglichkeit einer blauen Plakette für relativ saubere Autos beschäftigen.
Video: Was Diesel-Fahrer jetzt wissen müssen
AFP